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Zwischen Volkstrauertag und Totensonntag

»Lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden.« (Psalm 90,12)

In gut einer Woche beginnt der Advent, der ein neues Kirchenjahr einläutet. In der „christlichen“ Zeitrechnung stehen wir also schon mitten im Jahresende, obwohl das Kalenderjahr noch einen ganzen Monat bereithält. Das Ende des Kirchenjahres steht heute tatsächlich im Zeichen des „Endes“. Seit 1817 wird der Sonntag vor dem Advent als „Totensonntag“ begangen. Eine Woche davor ist seit 1952 der „Volkstrauertag“ im Gedenken an die Opfer der Kriege. Wir stehen am heutigen Buß- und Bettag zwischen beidem, aktueller als gewöhnlich.

Am Sonntag im Gottesdienst werden wir uns etwas ausführlicher mit dem Tod beschäftigen. Für diesen kurzen Impuls habe ich nur einen Gedanken, oder vielmehr eine Frage an mich selbst, die mich in den letzten Wochen beschäftigt hat: Sehe ich eigentlich noch die Menschen hinter den Zahlen, die mich (!) seit Monaten haben abstumpfen lassen?

In den USA entstand vor Kurzem eine Kunstaktion: Eine Künstlerin installierte 175.000 weiße Fähnchen – eines für jeden Menschen, der*die an Covid-19 gestorben ist (siehe Link unten). Es sind mittlerweile fast 250.000. Auch die fast täglich neuen Meldungen ertrunkener Flüchtlinge im Mittelmeer – es sind fast nur noch Zahlen. Das tut mir weh, weil ich über mich selbst erschrecke.

Das Ende des Kirchenjahres ruft uns den Tod und die Toten ins Gedächtnis. Es erinnert an die Namen und Geschichten derer, die wir als Menschheit verloren haben. Vielleicht bewegt mich das, gegen den Tod für das Leben einzutreten. Denn darin erleben wir die Geschichte Gottes, die sehnsüchtige Hoffnung auf das Leben – weil Gott ein Gott des Lebens ist! Daran erinnert auch das Kirchenjahr, jedes Jahr, wenn wir nach dem Totengedenken die Ankunft (Advent) eines neuen Lebens feiern.

https://www.rnd.de/panorama/corona-kunst-weisse-fahnen-fur-verstorbene-menschen-ce2d8401-4b83-4b8f-80c1-584c294c0046.html