Der Wochenspruch dieser Woche aus Lukas 12,48 fordet ganz schön heraus.
“Wem viel gegeben ist, bei dem wird man viel suchen; und wem viel anvertraut ist, von dem wird man umso mehr fordern.” – Lk 12, 48
Wer kennt das nicht? Diejenigen, die in einer besonderen Art und Weise im öffentlichen Leben Verantwortung übernehmen und im Rampenlicht ihrer Zuhörer:innen und Zuschauer:innen stehen, sind auch diejenigen, bei denen man genauer hinschaut, ob das was gesagt wird auch dem entspricht, wie die entsprechende Person selbst handelt.
Wir nennen das Authentizität. Jemand der authentisch ist, ist dem Wort nach jemand, der “echt” und “zuverlässig” ist. Jemand, der nicht nur vorgibt etwas zu sein, sondern, jemand, der das was er nach außen hin austrahlt und repräsentiert auch selbst in Wort und Tat zuverlässig umsetzt. Andersherum werden nicht authentische Menschen schnell der Heuchelei bezichtigt.
Ich weiß nicht wie es dir geht, aber ich habe in letzter Zeit das Gefühl, dass wir als Gesellschaft ziemlich dünnheutig geworden sind. Lanz und Precht haben vor Kurzem in einer Diskussionsrunde ausgesprochen, was sich vielerorts bemerkbar macht: Wir sind eine hochsensible Gesellschaft geworden. Daran ist nichts verkehrt. Ich finde es gut, ja sehr gut sogar, dass wir sensibel darauf achten, wenn in unserer Umgebung Themen wie etwa Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Mobbing, Sexismus, Hass und Hetze Raum einnehmen. Wir wollen das nicht und das steht außer Frage. Gleichsam ist es unglaublich schwer geworden Stellung zu beziehen, wenn es ungemütlich wird, denn mit gesteigerter Sensibilität geht auch eine gesteigerte Verunsicherung einher. Mir schwirren häufig Sätze dieser Art durch meine Gehirnwindungen: “Bin ich jetzt der richtige, der hierzu was sagen sollte?”, “Bin ich qualifiziert genug, um meine Meinung einzubringen?”, “Habe ich den passenden Status und die Erlaubnis meinen Senf dazu zu geben?” Und letztendlich die vielleicht alles entscheidende Frage: “Bin ich selbst authentisch genug? Darf ich über ein Thema reden, in dem ich selbst immer wieder scheitere?”
Gottes Wort zumindest, ermahnt und ermutigt uns dazu bei aller Abwägung letztlich den authentischen Weg zu wählen. Wir sollen uns nichts selbst vormachen oder uns besser darstellen, als wir wirklich sind. Gott möchte keine Scheinheiligen, sondern Echtheit, die von Herzen kommt. Echt sein, authentisch sein, bedeutet nicht fehlerlos zu sein, sondern sich ehrlich zu machen mit all den Fehlern, Versäumnissen, Ängsten, Zweifel, kleinen und großen Problemen, die wir nun mal mit uns herumschleppen. Wenn wir ein paar Verse vorher lesen, dann merken wir schnell, worum es Gott wirklich geht. Nämlich nicht um eine TÜV-Authentizität-Prüfung der persönlichen Makellosigkeit, sondern um die Frage: Wo ist dein Herz?
“Denn wo euer Schatz ist, da wird auch euer Herz sein.” – Lk 12,34
Vielleicht liegt genau darin die Herausforderung: Mit dem Herzen bei Gott zu sein und daraus die liebevolle und barmherzige Haltung gewinnen, mit der Gott uns ansieht und beschenkt. Vielleicht ist genau das, umso authentischer, wenn wir aus Gnade leben lernen.
Gnade sei mit euch und Gottes Segen.